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KESO in Schweden: Auffallender Anti Style

, by Katia Hermann

„Ich habe schon immer seltsame/lustige Buchstaben gemalt und konnte mich keinem bestimmten Stil zuordnen.“


Hallo KESO, ich habe gehört, du wohnst in Göteborg, Schweden. Bist du dort aufgewachsen oder woanders? Seit wann lebst du dort?

Ich bin 1982 in Göteborg geboren und habe hier meine Kindheit verbracht. Danach habe ich an verschiedenen Orten gelebt und bin 2014 wieder hierher zurückgezogen.


Wie ist das Leben dort?

Das Leben ist gut, ich führe heute ein ruhiges Familienleben.


Kannst du uns etwas über deine Kindheit erzählen? Wofür hast du dich interessiert?

Ich hatte eine schöne Kindheit, und Zeichnen und Musik waren meine ersten Interessen.


Hast du damals Comics gelesen? Gab es etwas, das dich inspiriert hat? Hast du als Kind gezeichnet? Was hast du nach der Schule gemacht? Hast du studiert?

Ich habe Comics gelesen, aber ich mochte eher Zeichentrickserien wie Turtles und Hanna-Barbera. Auch heute noch zeichne ich gerne Zeichentrickfiguren aus dieser Zeit. Ich habe so wenig wie möglich gelernt und stattdessen mit Freunden auf der Straße rumgehangen und Musik gehört.


Wann und wie hast du Graffiti entdeckt?

Mit etwa 12 Jahren entdeckte ich Graffiti durch Hip-Hop. Ich begann viele Skizzen zu zeichnen und zu taggen.



Spielt Musik eine wichtige Rolle in deinem Leben? Machst du selbst Musik?

Ja, ich höre Dancehall, Reggae und Jungle. Reggae war schon immer ein wichtiger Teil meines Lebens. Ich mache selbst keine Musik, aber ich hatte ein Sound System und habe in meiner Jugend Platten in Clubs aufgelegt.


Wann hast du mit Graffiti Writing angefangen und unter welchem Namen? Seit wann nennst du dich KESO?

Ich begann 1997 mit dem Malen, als ich 15 Jahre alt war. Meine ersten Pieces entstanden unter dem Namen HERB. Kurz darauf wechselte ich zu BUBA. Von 2002 bis 2016 habe ich eine Pause vom Malen und Graffiti eingelegt. Ich habe dann 2017 meinen Namen als KESO geändert, als ich einen Neuanfang brauchte und begann, abstraktere Pieces zu malen. Damals entdeckte ich Trash, Anti-Style und abstrakte Graffiti.


Warum hast du so viele Jahre pausiert?

Damals hatte ich nicht viel mit Leuten zu tun, die malten, und es passte nicht zu meinem Lebensstil.


KESO bedeutet Käse, richtig? Warum hast du diesen lustig komischen Namen gewählt?

In Schweden gibt es eine Hüttenkäsemarke namens Keso. Ich liebe ihn seit meiner Kindheit und tue es immer noch, deshalb habe ich diesen Namen gewählt.


Haben dich damals bestimmte Graffiti Writer inspiriert? Und hattest du Kontakt zur lokalen Szene?

Damals haben mich Bates und lokale Künstler wie Slav, Rubin und Mouse inspiriert. Ich glaube, ich war damals stärker mit der lokalen Szene verbunden.


Warst du Teil irgendwelcher Crews? Wie zum Beispiel RBC?

Ja, die RBC, Rude Boys Crew, besteht nur aus mir und einem alten Freund aus meiner Zeit als ich mit Graffiti angefangen habe. Heute bin ich in den Crews OKNO, ART Forum und 0%.



Welchen Stil hast du am Anfang gemalt?

Ich habe immer seltsame/lustige Buchstaben gemalt und passte damals nicht in einen bestimmten Stil. Damals drehte sich alles um Graffiti, und es wurde nicht viel über verschiedene Stile gesprochen.


Wann hast du angefangen, figurative Motive wie Stühle, Möbel und Gegenstände zu malen, und warum ausgerechnet Alltagsgegenstände?

Ich habe schon immer gerne Alltagsgegenstände gezeichnet, besonders Stühle, und vor ein paar Jahren habe ich angefangen, damit Wände zu bemalen. Ich mag alte, antike und Vintage-Objekte und gehe gerne auf Secondhand- und Flohmärkte.


Du malst auch abstraktere Werke in einem biomorphen Stil mit verschlungenen Formen. Wie hast du dich zu diesem Stil entwickelt? Sind Buchstaben immer noch eine Grundlage/Referenz?

Die Buchstaben wurden immer seltsamer und nahmen diese Formen an. Oft sind da noch Buchstaben, aber meistens sehe nur ich sie.


Die Buchstaben KESO oder andere?

Meistens KESO, aber auch Crewnamen.


Siehst du deinen Stil als Anti-Style?

Ich male einfach gerne die Dinge, die ich liebe, und es ist mir nicht so wichtig, meinem Stil einen besonderen Namen zu geben. Aber ich denke, Anti-Style ist ein guter Name für Stile, die mit den traditionellen Graffiti-Regeln brechen.



Wie oft arbeitest du im Freien? Malst du alleine oder mit anderen?

Ich versuche, so oft wie möglich zu malen, ein- bis zweimal pro Woche, wenn ich Zeit habe und das Wetter mitspielt. Ich male oft alleine, manchmal aber auch mit Freunden oder Besuchern aus aller Welt.


Welche Techniken verwendest du an Wänden?

Ich mische meine Malerei mit Sprühlack und Wandfarbe. Manchmal benutze ich Sprühdosen, manchmal Pinsel oder beides.


Improvisierst du auf der Oberfläche? Oder hast du schon eine Idee im Kopf, bevor du loslegst? Oder sogar eine Skizze?

Meistens improvisiere ich, aber manchmal bin ich nicht in der richtigen Stimmung, deshalb habe ich immer einen Stapel Skizzen in meiner Maltasche. Meistens habe ich aber keine Ahnung, wie das Werk aussehen wird, wenn ich anfange, und improvisiere einfach.



Ist dir Sketchen wichtig?

Ich liebe es zu Sketchen, wenn ich ein Blatt Papier vor mir habe. Das mache ich jeden Tag regelmäßig.



Wie wählst du deine Farbpalette für die Wände aus und wie gehst du dabei vor?

Ich plane nie Farbschemata, sondern wähle die Farbpalette spontan beim Malen. Ich verwende nur die billigste Farbe, die ich bekommen kann, und male mit den Farben, die mir gerade zur Verfügung stehen.


Siehst und benennst du deine Wandbilder noch als Pieces?

Ja, ich sehe sie immer noch als Pieces.


Erschaffst du neben deinen farbenfrohen Zeichnungen/Skizzen auch andere Atelierarbeiten?

Nein, ich schaffe Arbeiten für Außenwände und gelegentlich Stickerbögen.


Wie würdest du deine eigene künstlerische Entwicklung beschreiben?

Ich versuche immer, neue Stile zu entwickeln, um meine Pieces weiterzuentwickeln. Ich möchte nicht immer wieder dieselbe Skizze erstellen. Sondern mag es, Arbeiten zu schaffen, die anders aussehen, aber dennoch wie ein KESO-Bild wirken.



Gibt es moderne oder zeitgenössische Maler, die du magst und die dich inspirieren?

Nein, kein bestimmter Künstler, aber ich besuche gerne Kunstausstellungen und Museen. Ich kann mich genauso gut vom Alltag, einem berühmten Maler oder einem Malbuch für Kinder inspirieren lassen.


Du hast den Instagram-Account Graffiti Lobster erstellt, um Bilder von Pieces von Graffiti Writern aus aller Welt zu teilen. Wann hast du angefangen und was war deine Motivation?

Ich habe Graffiti Lobster circa 2016 gegründet, um einen Raum zu schaffen, in dem verschiedene Stile abstrakten Graffitis präsentiert werden. Kurz darauf begann ich mit Anti-Stylers – für mehr buchstabenbasiertes Trash/Anti-Style-Graffiti.


Kannst du uns kurz beschreiben, welche Möglichkeiten es für Künstler mit Wurzeln im Graffiti-Writing gibt, ihre Arbeiten in Schweden zu zeigen? Gibt es Institutionen oder Orte, die du empfehlen kannst?

Ich habe meine Arbeiten noch nie auf diese Weise ausgestellt, ich male nur Wände für mich selbst.


Vielen Dank, KESO, für deine Zeit und die Fotos!


instagram.com/keso_rbc

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Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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