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OZM in Hamburg: Art Lab für Graffiti Writing, Urban art, bildende Kunst und KI

, by Katia Hermann

Die Gründung des OZM in Hamburg liegt zurück in 2007 im Schanzenviertel. Alex Heimkind entwickelte das Konzept des OZM und fand immer wieder Räumlichkeiten in den letzten siebzehn Jahren. An verschiedenen Orten aktiv, vertritt es heute mehr als 20 KünstlerInnen, viele mit Ursprüngen aus dem Graffiti Writing. Der Name OZM steht für OneZeroMore,Leibniz‘ Binärzahlen“, steht für „Eins Null und mehr“ und symbolisiert damit eine Erweiterung, eine Weiterentwicklung oder eine Evolution. Es ist ein Konzept, das Vielfalt und Wachstum repräsentiert, und steht auch für die Idee der Unendlichkeit oder der fortwährenden Veränderung und Weiterentwicklung. Nach vielen Jahren im OZM Art Space mit der OZM Art Space Gallery im Schanzenviertel, entwickelte sich Heimkinds Projekt weiter und er eröffnete das OZM HAMMERBROOKLYN Exponat kurz vor der Pandemie, 2019. Während der Pandemie konnten Künstlerinnen weiterarbeiten und es entstanden Werke innen, sowie an den Fassaden und im Innenhof des Gebäudes. Auf vier Etagen bietet das bespielte Haus im Stadtteil Hammerbrook mit seinen verwinkelten 3.500 qm ein außergewöhnliches Erlebnis. Wie lange es noch geöffnet sein wird , ist unklar. Labyrinthisch, dunkel, nur mit Licht auf den ausgestellten Werken, führen lange Flure in Räume, die meist nur einem Künstler mit mehreren Werken gewidmet sind. In der letzten Etage, hell und renoviert, befindet sich eine Sammlung von Werken von DAIM, sowie ein großer Gemeinschaftsraum. Und auf allen Etagen nach oben führen hunderte Werke. Bekannte Graffiti-Künstler wie Loomit, DAIM, Darco FBI,  ArtOne, MIR, DCN, sowie Arbeiten von Anna Pokrywiec, GODLING, Lady Wave, Ace Tee, Anek, Davis One, Dirk Vorndamme, Rene Falk Thomasius, Paco Sanchez, Matten Shredconnection, reizflut, SIMO, Raumtaucher, YAMZO, HEIMKIND, OZMAI und von dem verstorbenen Hamburger Writer OZ. Heimkind zeigt hier einige Werke von Oz, auch einzigartige Leinwände, die der Künstler ihm hinterließ. Die Namen OZ, OZM, OZMAI machen stutzig, und man fragt sich, wer ist OZMAI? Das ist der Name der AI des OZM’s, als interne KI von dem Informatiker Yamzo und Alex Heimkind entwickelt, schafft diese auch Kunst, die ebenfalls ausgestellt ist. Denn das OZM (OneZeroMore) ist keine herkömmliche Kunstgalerie, sondern ein Art space, ein Labor, ein Innovationshub für Kunst und Technologie, und soll ein lebendiger Treffpunkt für KünstlerInnen, Kunstbegeisterte, Technologieexperten und Unternehmen sein. Als gemeinnützige GmbH widmet sich das OZM der Mission, Kunst für alle zugänglich zu machen und dabei die neuesten Technologien zu integrieren. Das Portfolio vom OZM, der Online-Verkauf von Kunst, bietet zudem eine interessante Möglichkeit, die Arbeiten der vertretenen Künstlerinnen zu erwerben. Die Einnahmen dienen dabei der Unterstützung der KünstlerInnen, sowie der Umsetzung sozio-kultureller Projekte, die das OZM fördert.


Ehemaliges OZM art space gallery


Kunst-Vermittlung-Artificial intelligence

Genau das macht der Gründer und Leiter Alex Heimkind alles: Er macht Kunstvermittlung durch Führungen durch die Räume, ob mit Schulklassen oder Firmen und arbeitet in seinem Büro mit modernster Technik, wie mit KI und AI. Heimkind beschreibt es folgendermaßen: „Hier wurde das OZM zu mehr als nur einem Ausstellungsraum. Es wurde zu einem Ort des künstlerischen Austauschs, der interdisziplinären Zusammenarbeit und der digitalen Innovation. Die Idee des Gesamtkunstwerks wurde geboren, das nicht nur Kunstwerke zeigt, sondern auch eine immersive Erfahrung schafft, die die Besucher in eine Welt aus Kunst, Technologie und Interaktion eintauchen lässt.“ Auf die Frage wie es sich vom alten OZM art space unterscheidet, antwortet er: „Übrig geblieben ist die Essenz der Künstler und einige Werke aus dem OZM Art Space, nun verbunden mit der neuen Erzählung von HAMMERBROOKLYN in Verbindung mit dem OZM und der Idee des Gesamtkunstwerks, dem Exponat. Es geht um die Evolution, die Weiterentwicklung und Transformation dessen, was einmal war, zu etwas Neuem und Innovativem. Dazu kommt die Einführung des OZM New Space Gallery, welches eine neue Plattform für zeitgenössische Kunst bietet und die Vision des OZM in die Zukunft trägt.“ Und die Zukunft, die Entwicklungen in der Kunst, scheinen auch in neuen Technologien zu liegen. Daran glaubt Alex Heimkind fest: „Als interne KI des OZM wird OZMAI dazu beitragen, die Ausstellungen und Erfahrungen für die Besucher kontinuierlich zu verbessern und zu personalisieren. Sie wird weiterhin eine umfangreiche Wissensdatenbank über Graffiti, Digital Art und Urban Art aufbauen und vermitteln, wodurch das OZM zu einem bedeutenden Zentrum für künstlerische Innovation und Technologie wird. Darüber hinaus wird OZMAI weiterhin generierte Kunstwerke schaffen, die mit den Besuchern interagieren und so eine einzigartige und immersive Erfahrung bieten. Insgesamt sehe ich OZMAI als einen wichtigen Bestandteil der Zukunft des OZM, der dazu beitragen wird, die Grenzen zwischen Kunst und Technologie weiter zu verschmelzen und neue Möglichkeiten der kreativen Expression zu erforschen.“


OZM Hammerbrooklyn


Darco FBI, langjähriger „Kampfgefährte“

Im Kunstbereich machen viele Menschen mithilfe von KI momentan Experimente und bestimmt wird es immer wieder Überraschungen mit neuen Technologien geben. Der deutsch-französische Graffiti Writer und Pionier Darco FBI aus Paris – seit den 90er Jahren im OZM aktiv und vertreten – ist auch dort in Hammersbrook mit KI in Berührung gekommen und hat seine ersten Erfahrungen mit KI gemacht: „ Ich bin damit etwas in Berührung gekommen, bin aber nicht Geek genug um genauer darüber Bescheid zu wissen. Es ist noch ziemlich jung und kann in alle Richtungen gehen. Es gibt sehr interessantes Potenzial, mit aufregend spannenden Wegen, aber auch düstere Pfade. AI hat ein theoretisch aufregendes und positives Potenzial und öffnet neue Möglichkeiten. Sie ist ein interessantes Werkzeug und eine neue Arbeitshilfe. Wie aber jede Technologie hat sie auch eine finstere Seite. So kann sie schnell über diesen Status herauswachsen, eventuell sogar wuchern. Ich habe vor kurzem erfahren, dass mein Name auf dieser Liste von den paar tausend Künstlern steht, mit denen Werken, Midjourney und die anderen, ihre AI trainiert haben. Ich habe dabei eher ein geteiltes Feeling. Teils ist es schmeichelhaft, teils aber auch eindringend, da ich weder gefragt wurde, ob ich mit einer solcher Benutzung einverstanden bin, noch darüber im Voraus informiert wurde. AI ist eines dieser neuen Utensilien in dieser Welt. Wie viele dieser Technologien reicht sie weit über bis jetzt existierenden konventionellen Konzeptionen hinaus und braucht noch etwas Zeit, um sich einen respektablen Platz zu schaffen, sowie integriert zu werden.“

Darco FBI hat im OZM HAMMERBROOKLYN Exponat eine große Fläche zur Verfügung bekommen. In mehreren Räumen verteilt, hängt eine Sammlung von Leinwänden und Papierarbeiten. Man begegnet zudem seinem tanzendem Hologramm, einer 3D-Arbeit im Flur sowie Wandmalereien innen und auf den Fassaden des Gebäudes. Für die neue Location, habe er improvisiert: „Ich habe mich einfach mit meiner Sensibilität und Ausdrucksform gehen lassen und den neuen Standort, den ich schon von damals kannte, ebenfalls von außen und von innen genutzt, animiert, ausgebaut und bearbeitet. Immer in meinem Style. Basiert ist das Ganze auf das Graffiti Writing, die Tags, die Throw-ups und die Pieces. Ein besonderer Fokus liegt auf den Bewegungen, durch welche die Formen und Linien entstehen. Ich zeige dort meine Arbeiten, die direkt mit dem OZM zusammenhängen. Meine Arbeiten haben nach wie vor eine direkte Verbindung zum Writing. Es geht hauptsächlich um Rhythmus, Dynamik, Flow und Energie.“

Das zeigt Darco FBI auch direkt mit eigenen choreografierten Körperbewegungen im neuen OZM. Im Vorfeld gefilmt und als Hologramm in einen von ihm gestalteten dunklen Raum hinter eine Scheibe projiziert, sieht man ihn eine Choreografie vollziehen, im Raum, im Loop abgespielt. „Es handelt sich um ein Patchwork von diversen Formen von Kampfkünsten und ist ein Zeichen dafür, das meine Werke sehr viel mit Bewegung zu tun haben. Meist exekutiere ich präzise Bewegungen frei im Raum und nicht nur mit der Hand oder mit dem Arm, sondern mit dem gesamten Körper. Dabei sprühe ich Farbe auf einen Untergrund, den ich nicht berühre. Das ist für mich ein sehr wichtiger Aspekt des Writing“, erläutert er.

Darco FBI lernte Alex Heimkind Mitte 90er Jahre kennen und fasst es so zusammen: „Da hatte er zwar schon etwas mit der Straßenkunst am Hut, war aber hauptsächlich auf seine Musik als « Heimkind », Radfahren und Kung-fu fokussiert. Wir haben uns damals gut connected und den Kontakt aufbehalten. Wir haben uns zusammen über alles und natürlich unsere Kunstform geredet, bis es schließlich zu dem ersten OZM in der Schanze kam.“



HEIMKIND’s story

Alex Heimkind lebte schon mal 1989 im Schanzenviertel, zunächst in der Roten Flora. Das war, laut ihm natürlich Abenteuer pur und er hat vor allem Konzerte veranstaltet. Ihn interessierten schon früh Freiräume, vorwiegend auch in Berlin. In 2007 fand er diese Atmosphäre dort wieder, in der Bartelsstraße 45, als er wieder im Schanzenviertel ankam, dort wo das OZM entstehen sollte. Die Schwestern Romanows, denen die alte Fabrik damals gehörte, sagten zu ihm: „Alex, du kannst das mieten, und das andere schenken wir dir unter einer Bedingung: Niemand darf wissen, dass es existiert.“ Das war für ihn eine unglaubliche Gelegenheit und ein Geheimnis, das er gerne hütete. Es war ein Ort voller Kreativität und Möglichkeiten, angefangen mit 9 Künstlern im OZM Art Space, erinnert er sich: „Mit meinen Kung Fu-Brüdern haben wir dann einen 100 m2-großen Geheimraum gebaut, der wie ein Raumschiff gestaltet war. Der Zugang erfolgte nur über eine Geheimtür und eine Schleuse. Es war ein echtes Meisterwerk der Tarnung und des Raumschiff-Designs. Gestartet als OZM Art Space, wo die Kunst entstand, hat es sich zum OZM Art Space Gallery entwickelt, mit vier Ausstellungen im Jahr. Jede Ausstellung war eine Herausforderung, und es ging immer darum, das, was wir zuvor gemacht hatten, zu übertreffen. Die letzte Ausstellung war mit Darco FBI, Loomit, Won ABC, Danny Doom, mittenimwald, ArtOne, MIR, Darko Caramello Nikolic, Godling, Lady Wave, Sablage, TASEK, SIMO, STOHEAD, Dirk Vorndamme,  Paco Sanchez,  HEIMKIND, DAIM and Oz, sie dauerte zwei Jahre und verwandelte das gesamte Gebäude, sowohl innen als auch außen, in ein Gesamtkunstwerk. Highlights gab es da ohne Ende. Das war auch der Ort, an dem wir die Ehre hatte, einen Indianerhäuptling und Medizinmann der Yaqui Indianer kennenzulernen. In unserem Raumschiff erklärte er uns dann, dass wir keine Kämpfer mehr sein sollten, sondern Lover werden sollten. Denn diese Erde benötigt keine Kämpfer mehr.“

Die Geschichte von Heimkind und Graffiti Writing liegt bereits zurück in den frühen 80er Jahren. Ein prägender Moment war, laut ihm, als er einen Punk in den U-Bahn-Linien der U1 in Kreuzberg beobachtete, wie er sein Tag hinterließ: „Es war wie ein geheimes Ritual, das nur wenige Augen sehen durften. Als er mir dabei zuzwinkerte, fühlte ich mich wie Teil eines exklusiven Clubs. Es war ein Akt der Rebellion und des Ausdrucks, der mich faszinierte und meine eigene Leidenschaft für Graffiti entfachte. Kurz gesagt, meine Anfänge in der Graffiti-Kultur waren von Anarchie geprägt. Für mich war es damals nicht wichtig, was ich gemalt habe, denn es ging nicht darum, Fotos davon zu machen oder eine persönliche Geschichte zu dokumentieren. Vielmehr war es eine spontane Reaktion auf den Ort, eine Art Zeichen des Kontrollverlusts über diesen Raum. Es ging um den Moment und die unmittelbare Ausdrucksfreiheit, ohne Rücksicht auf Konventionen oder Regeln. Es war eine Form des Protests und der Freiheit. 1994 habe ich dann allerdings mit dem Malen und Graffiti komplett aufgehört und mich stattdessen voll und ganz der digitalen Musik und anderen kreativen Projekten gewidmet. Die anderen haben weiter gesprayt und die Clubs gestaltet oder mit ausgestellt, wo ich Musik gemacht habe.“

Von 1992 bis 1999 hatte Heimkind ein Atelier in einem Künstlerhaus in der Wendenstraße in Hamburg Hammerbrook, dort organisierte er viele Ausstellungen und Veranstaltungen mit, schon damals unter HAMMERBROOKLYN. Oz hatte Heimkind schon Mitte der 90er gefragt, ob er ihn nicht ausstellen und managen könnte. Damals erschien Heimkind das jedoch absurd, und antwortete, dass es vielleicht in der Zukunft möglich sein könnte. Erst im OZM haben sie sich dann wirklich kennengelernt. Von 1999 bis 2006 war Heimkind im Mercedes Haus in Hamburg an den Elbbrücken zu Hause. Genau unter ihm waren die Jungs von Getting Up, wie DAIM, und sie haben wohl jeden Tag u.a. zusammen gekocht. Dort lernte er auch Darco und Loomit kennen, es war 1999, Heimkind hatte seine Zeitmaschine, mit der er Musik machte, sie ihre Dosen und da sind sie wohl Freunde geworden. Es entstanden Freundschaften und Projekte, die seit 25 Jahren bestehen und wieder einmal zeigen, dass Kunst verbindet.

Leider soll das OZM Hammerbrooklyn Exponat für 2024 schließen. Das Gebäude soll abgerissen werden. Es war temporär, doch Heimkind zeigt sich einigermaßen gelassen und hat schon eine konkrete Zukunftsvision mit mobilen Containern für Kunst, die man stapeln kann und reisen könnten, dank Hubschraubertransport. Entwürfe, Animationsfilme und Modelle seiner Idee werden in Hammerbrook präsentiert, und zwei leere Container stehen auch schon bereit im Hof.

Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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