Interview mit Johannes Mundinger im Rahmen der the Wall+ Mural-Gestaltung
Wie bist du zur Kunst / Urban Art gekommen?
Da bin ich aus versehen reingeschlittert, weil es mir so Spaß macht zu malen und zu zeichnen. Und natürlich macht es noch mehr Spaß, aus dem ganzen Körper heraus zu malen, statt nur einen kleinen Stift übers Blatt zu schieben. Ich hatte ursprünglich Illustration studiert, weil ich gerne Bilder für etwas entwickele – besonders gerne für Fassaden, da hier die Bilder im öffentlichen Raum und direkt für alle zu sehen sind.




Gibt es Künstler:innen oder Bewegungen, die dich besonders inspiriert haben?
Es waren und sind häufig Menschen und Künstler:innen in meiner direkten Umgebung, deren Herangehensweisen, Techniken und Aussagen mich inspirieren. Da lohnt es sich natürlich auch, in Berlin zu leben, wo viele spannende Künstler:innen versammelt sind oder mal vorbei kommen.
Trotzdem haben mich natürlich auch Künstler:innen außerhalb meines Zirkels beeindruckt, die humorvolle Herangehensweise von Fischli & Weiß, der Umgang mit Farbe bei Caspar David Friedrich, Adrian Ghenie oder Katharina Grosse, die Skizzen von Kirchner oder das (Aus)Nutzen der Kunstfreiheit für Aktivismus durch das Peng Kollektiv oder das Zentrum für Politische Schönheit.
Was bedeutet „Style“ für dich, und wie würdest du deinen eigenen Stil beschreiben?
Ich finde es gut, wenn jedes Bild ein Original sein darf und keine Wiederholung sein muss. Es passiert mir zu oft, dass ich mein Repertoire in Details variiere, statt eigenständige, neue Bilder zu entwickeln, aber die Absicht Neues zu schaffen, immerhin, habe ich.
Einen Stil zu suchen klingt für mich mich nach Marketing oder gar Ideenlosigkeit, wenn sich das ähnliche Motiv in endlosen Varianten wiederholt.
Welche Ziele oder Träume hast du für deine Zukunft als Künstler:in? Und welche hast du bereits erreicht – waren sie in der Realität vielleicht ganz anders als erwartet?
Erstmal freue ich mich, dass ich mit meiner künstlerischen Arbeit meine Familie ernähren kann. Ein Ziel in Bezug auf diese Arbeit ist, offen zu bleiben und mich zu trauen, mehr zu experimentieren.




Was oder wen siehst du aktuell nicht in der Kunstszene – was fehlt dir?
Erstmal habe ich das Gefühl, dass die Kunstszene (jedenfalls Berlins) so heterogen ist, dass es für jede:n und alles einen Platz gibt.
Was ich als problematisch empfinde kommt nicht aus der Szene heraus. Mittelkürzungen, mit dem Rechtsruck einhergehende Einengung der Kunstfreiheit, und die Tatsache dass sich die Menschheit nach Held:innen sehnt, dass häufig nicht die Arbeit an sich zählt, sondern das Drumehrum, der Status, der Hype. Da kenne ich einige Künstler:innen, die super spannende Arbeiten machen aber zu schüchtern sind oder zu wenig gesehen werden.
Du bist Künstler:in und Vater. Wie erlebst Du die Verbindung von künstlerischer Arbeit und Elternschaft? Welche Herausforderungen oder neuen Perspektiven bringt das mit sich?
Ich habe nach der Geburt erstmal ein paar Monate komplett pausiert und auch jetzt arbeite ich nur wenig, um möglichst viel Zeit mit dem kleinen Kind zu verbringen. Gleichzeitig versuche ich, meiner Partner:in den Raum zu geben, dass sie Zeit für Atelier und Ausstellungen hat.
Habt ihr einen „Golden Tip“ für andere Künstler:innen mit Care-Verantwortung?
Bei mir ist es vielleicht noch zu frisch für gute Tipps. Erstmal kann ich empfehlen, ein möglichst großes Polster zu haben und richtig viel Zeit mit dem Kind zu verbringen.
Du arbeitest sowohl im öffentlichen Raum als auch im Galerie-Kontext. Was bedeutet dir dieser Wechsel – und verändert sich deine Herangehensweise je nach Raum?
Kunst im öffentlichen Raum ist für alle sichtbar, und ich finde, damit hat sie eine höhere Wirkung, weil sie Menschen erreicht die nie ins Museum oder eine Galerie gehen würden. Im Gespräch mit Passant:innen oder den lokalen Trinker:innen merke ich immer wieder, dass meine Arbeit hier wirklich einen Prozess anstößt, gerade bei ganz abstrakt wirkenden Bildern. Im Ausstellungsraum dagegen bringen die Menschen in der Regel eine Schublade voller Vorkenntnisse mit – und tatsächlich ist hier Malerei ja eher eine der weniger progressiven Spielarten der Kunst. So fällt es mir leichter, Murals im öffentlichen Raum eine Relevanz zuzusprechen.
Was möchtest du mit deinem aktuellen Werk hier auf the WALL+ ausdrücken? Und inwiefern beeinflusst dich dabei die Location – hier das Gängeviertel Hamburg?
Beim Wände Malen mag ich es, mir die Umgebung anzusehen und sie miteinzubeziehen, so dass das Bild wirklich für den Ort entsteht und nicht ein völlig austauschbarer Beitrag ist, der genau so auch woanders statfinden könnte. Ganz markant ist hier im Gängeviertel natürlich das Mural von Coco Bergholm, dass oberhalb der Wall+-Wand gemalt ist. Das wollte ich nicht völlig ignorieren und habe so meine Arbeit um eine imaginierte Fortführung des Motivs herum arrangiert.


Du machst häufig Projekte mit anderen Künstler:innen – was treibt dich hier an?
Es macht mir Spaß, Menschen zusammen zu bringen, gemeinsam mit Daniel Hahn betreibe ich zum Beispiel den virtuellen Raum www und manchmal entstehen gute Ideen für Ausstellungen, die ich am liebsten ohne langes Vorausplanen realisiere. Die Wanderausstellung „Hausarbeit“ wurde an private Haushalte verlost, in der Natur vor den Toren Berlins luden wir zur Neuen Nationalparkgalerie und zuletzt haben wir mit 130 Künstler:innen eine leerstehende Telefonzelle bespielt, die ich beim Spazierengehen entdeckt hatte.
Wie würdest du die Entwicklung der Urban-Art-Szene in den letzten Jahren beschreiben?
Ich würde sagen, vor 15, 20 Jahren war die Streetartszene zum einen stilistisch homogener, zum anderen ganz klar auf die Straße und den öffentlichen Raum fokussiert. Jetzt empfinde ich es so, dass alle, die Wände malen, auch viele Ausstellungen machen und Wände mehr für Festivals und als Auftrag gemalt werden, statt in verlassenen Geländen und einfach drauf los. Vielleicht sehe ich es aber auch nur so, weil das mein Werdegang und der von vielen meiner „Generation“ ist.
Wir lieben deine Arbeiten für das fortlaufende Kunstprojekt „Feldforschung“! Der Begriff stammt so kennen wir das als Soziologen und cultural Anthropologen ursprünglich aus der Wissenschaft – wie verstehst du ihn im Kontext deiner Kunst?
Feldforschung nenne ich mein Projekt, für das ich auf der Suche nach Scheunen in die Provinz fahre, um die Scheunen dann mit Motiven zu bemalen, die sich aus Gesprächen mit der lokalen Bevölkerung und direkten Anwohner:innen ergeben. Dabei gehe ich allerdings null wisschenschaftlich vor, für mich stehen der Austausch und die Bemalung im Vordergrund. Spannend ist trotzdem, was ich so über lokale Konflikte, gesellschaftliche Veränderungen und auch an persönlichen Geschichten erfahre.




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