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Interview mit Urban Artist Alaniz

, by Katia Hermann

Malen und Menschen bewegen


Alaniz, du bist ein Künstler, ein Maler, der im öffentlichen Raum und auf Leinwand arbeitet. Wann hat das alles angefangen?

Ich wollte Maler werden, seitdem ich 15 Jahre alt war. Ich entdeckte in der Oberschule den Beginn der Wandmalerei Bewegung, des Muralismus in Argentinien. Aber was für mich wirklich meine Arbeit verändert hat, war die Entdeckung der Arbeit von Blu. Ich habe sein Werk 2009 gesehen, spät, um genau zu sein. 

Hat er in Argentinien gemalt?

Er hat viele Dinge in Argentinien gemacht, aber ich habe sie nicht wirklich sehen können, deshalb habe ich seine Arbeiten online entdeckt. Zu dieser Zeit hing ich mit einer Gruppe von Straßenverkäufern herum und sie waren Teil der alternativen Szene. Sie waren auch Reisende. Dann begann ich auf den Straßen Argentiniens zu malen. Ich habe vielleicht sieben oder acht Wandbilder dort gemalt. Ich habe einige Ausstellungen in Zügen gemacht. Es gibt diesen Zug, den jeder in Argentinien benutzt, das ist sehr wichtig. Er verbindet die Hauptstadt mit den Vorstädten, der Zug ist die Seele der Stadt. Früher fuhr ich zwei Stunden mit dem Zug zur Arbeit – eine Stunde für die Hinfahrt und eine Stunde für den Rückweg. Und es gibt einen Waggon in diesem  Zug, der leer ist und keine Sitze hat, denn hier stehen die Leute mit ihren Fahrrädern. Es war auch der Ort, an dem sich alle betranken und berauschten, egal zu welcher Tageszeit, wie eine Partylounge, aber halt für arme Leute. Natürlich ging ich gerne dorthin, ich machte sogar meine erste Leinwand Ausstellung in diesen Waggons. Ich hatte immer diese soziale Verbindung. Meine Schule war voll von Träumern, revolutionären Lehrern der 70er Jahre, und ich passte perfekt dort hin. Und als ich Blu entdeckte, hatte ich bereits das Gefühl, das Kunst sozial sein sollte. Ich wurde auch von der Rockmusik beeinflusst, die diesen politischen Hintergrund in Argentinien hatte. Deshalb beschloss ich, meine erste Ausstellung in diesem öffentlichen Verkehrsmittel zu machen, wo die „Vergessenen“ der Gesellschaft waren.

Und deshalb hast du begonnen auch im städtischen Raum zu malen?

Ja, und dort befinden sich die Wurzeln von dem, was ich jetzt mache.

Wie viele Wandgemälde hast du zwischen 2011 und 2016 in Berlin gemalt, als du hier gelebt hast?

In den ersten eineinhalb Jahren habe ich Paste ups gemacht, die mit Hand gemalt hatte und Einzelstücke waren. Ich habe ca 20 davon gemalt, mehr oder weniger. Und es war ein guter Moment, weil die Arbeiten Aufmerksamkeit bekamen. Nach drei Monaten in Berlin wurde ich zu einem Festival in Hamburg eingeladen. Dort traf ich viele Künstler. In Berlin befanden die ersten Wände, die ich gemalt habe, in verlassenen Gebäuden, „lost places“. Ich habe circa 20 Wände gemalt, vielleicht mehr.




Und wann hast du angefangen den teleskopischen Stab mit Rolle und Pinsel zu benutzen?

Ich glaube, ich habe diese Technik bei Blu gesehen, mit dieser Verlängerung und Rolle. Ich wollte hohe Wände bemalen, aber ich hatte keine Mittel, es zu tun. Und ich benutze nie Sprühdosen. Also habe ich den einfachsten Weg gewählt, um hohe Wände zu streichen, mit dem was man hat, mit Rollen, Pinsel und Verlängerung. Und deshalb habe ich diese Praxis in verlassenen Gebäuden ausprobiert. Und dann wurde mir klar, dass ich mit dieser Technik die Straßen erreichen kann, immer auf die eine oder andere Weise, nach Aufmerksamkeit suchend.



Wie lange brauchtest du für ein Bild mit Rolle und Verlängerung?

Generell höchstens eine halbe Stunde. Selten ein oder zwei Stunden. Ich bin immer alleine gegangen, aber dann habe ich angefangen mit Berlin Kidz und dann mit Paradox zu arbeiten. Es allein zu machen ist gut, niemand weiß etwas. Wenn man mit anderen Menschen arbeitet, muss man ihnen sehr vertrauen. Und selbst wenn man ihnen vertraut, können Menschen Fehler machen. Wie vor einem Monat, als ich kurz davor war verhaftet zu werden, weil der Checker nicht da war, wo er eigentlich hätte sein sollen. Also muss ich sagen, dass ich sehr vorsichtig bin, und  arbeite lieber alleine, denke ich.



In Argentinien hast du mit Wandfarbe und Pinsel begonnen. Was war denn deine  Verbindung zum Graffiti Writing?

Nun, es gibt eine Geschichte, als ich 16, 17 war. Mein bester Freund, der mehr mit der Skater Bewegung verbunden war, nahm mich mit und sagte: „Jetzt werden wir die ganze Stadt bemalen. Wir gehen umher und schreiben unsere Namen in die Straßen“. Ich hatte also einen Alias-Namen, er hatte auch einen. Wir sind jede Nacht in der Stadt mit Spraydosen taggen gegangen. Ich habe nur meinen Namen geschrieben, aber ich wusste nicht einmal, was ich da tat.

Aber du hast auch schon gemalt oder gezeichnet?

Ja klar.

War „American Graffiti“, Style Writing, bereits in Argentinien lebendig?

Die Writer haben gebombt. Aber es sah nicht nach dem New Yorker Stil aus. Aber zu dieser Zeit, wir sprechen von den 90er Jahren, kam der Stil durch diese Skater-Magazine an. Es gab kein Internet. Es gab keinen Zugang. Ich war zu jung und komme aus einer Gegend, die wie ein Ghetto aussieht. Es gab also überhaupt keine Verbindung mit der Welt. Man wusste definitiv nichts. Es war völlig losgelöst vom Rest der Welt. Deshalb hat es mich auch nicht so früh erreicht.

Wohin bist du gegangen, nachdem du bis 2016 in Berlin gelebt hast?

Ich ging nach Mexiko und lebte in Tulum. Ich war dabei, dort Projekte zu entwickeln. As ich dorthin ging, war es nur ein kleines Dorf. Und ich durfte eigenständig Projekte mit Menschen entwickeln und Dinge organisieren. Und wenn man keine Ressourcen hat, lernt man, Dinge selbstständig zu machen. Und ich glaube, auf diese Weise habe ich diese Art von Fähigkeit entwickelt, Projekte zu realisieren, wenn einen niemand zu Festivals oder Ausstellungen einlädt. Ich schätze also, dass ich mit diesem Geist in gewisser Weise wieder nach Berlin gekommen bin. Ich meine, ich wollte nicht bleiben, als die Corona-Krise begann, aber blieb ich hier stecken.

Aber wo ist dein Zuhause oder deine Basis?

Nach Jahren in Berlin wollte ich reisen. Ich verließ Berlin 2016. Aber ich kam immer wieder zurück. Mexiko wurde also inoffiziell mein Stützpunkt, aber ich bin ständig in Bewegung. Und seit etwa einem Jahr habe ich keinen festen Platz mehr. Ich mochte die Idee, keinen offiziellen Wohnsitz zu haben. Es war fast wie ein Statement gegen Grenzen.

Und wie fühlt es sich jetzt an in Berlin festzusitzen?

Mir hat das Reisen gefehlt, weil Reisen eine schöne Sucht ist. Aber es gab mir Zeit, viele Aspekte meiner Arbeit zu überdenken und mich neu zu organisieren. Denn die Tatsache, dass man ständig unterwegs ist, erlaubt es einem nicht, sich um bestimmte Aspekte zu kümmern, wie zum Beispiel ein Buch oder ein Video zu machen und Projekte hier in Berlin zu entwickeln.

Wir sprachen über Corona und wie sich das auf die Menschen auswirken wird. Welche Erfahrungen hast du gemacht?

Es hat die Gemüter der Menschen beeinflusst. Ja. Ich meine, wir haben Glück hier in Berlin. Wir kennen Menschen in anderen Ländern, die in ihren Häusern gefangen sind. Schrecklich.

Ich habe mitbekommen, dass du beim Urban Spree in den ersten Tagen der Abriegelung ein Wandgemälde mit WESR gemalt hast. Erzähl mir mal etwas dazu…

Wir wollten einem verlassenen Kino malen. Wir taten es eine Woche zuvor, und dann beschlossen wir, noch einmal hinzugehen. Aber dann besuchten wir das RAW-Gelände, um nach einer Wand zu suchen. Und da war dieses nagelneue große Holzbrett, leer. Also dachten wir: perfekt. Und wir fragten Pascal, den Besitzer von Urban Spree. Pascal schloss das Urban Spree genau an diesem Tag. Also sagte er ja. Wir improvisierten in diesem Moment wie so oft. Ich liebe es, zu improvisieren. Mit dem Strom schwimmen. Es wuchs einfach. Es hätte besser werden können. Aber ich denke, das ist das Gefühl, das ist immer so, es hätte immer besser werden können.

Kannst du das Bild an der Urban Spree beschreiben?

Es handelt sich um eine Person, die einen Vollschutzanzug gegen Viren und die Maske trägt. Aber gleichzeitig hält sie ein iPhone oder ein Smartphone in der Hand und starrt im Liegen drauf.



Es war eines der ersten Bilder, die wir auf Instagram von einem lokalen Künstler sehen konnten.

Ja, das ist wahr. Es geht um die Medien, wie sich das auf die Menschen um mich herum ausgewirkt hat. Die gesamten Medien. Denn für mich war es zu diesem Zeitpunkt, als ob, vielleicht ist dieser Virus echt. Sie sagen es, aber sie vermasseln es den Leuten wirklich, mit all diesen Informationen und Fehlinformationen, ist es wie Verwirrung von Seiten der offiziellen Medien. Ich spreche nicht einmal von den alternativen Quellen. Ich spreche von den offiziellen Medien. Ich konnte sehen, wie es sich auf die Menschen um mich herum auswirkte.

Hat es dich auch betroffen?

Ganz und gar nicht. Ich habe versucht, mich so wenig wie möglich zu engagieren. Ich habe meine Nachforschungen gemacht. Ich habe recherchiert. Ich habe versucht, meine eigene Erklärung für das zu bekommen, was vor sich geht, denn in gewisser Weise, ich weiß nicht, ist es für mich immer notwendig, Dinge nicht auf reguläre Weise zu erklären, sondern zu versuchen, Erklärungen für viele Dinge zu finden. Und ich fand meine eigene Antwort auf das, was vor sich ging. Ich war damit einverstanden. Ich hoffte oder wartete darauf, dass uns die Dinge, wie ich sah, bewiesen wurden. Allmählich wird die Wahrheit ans Licht kommen, für mich ist es wie die Situation nach dem 11. September. Das ist der erste Eindruck. Es ist nicht wie die meisten der offiziellen Dinge, die da draußen passieren. Die Nachrichten, die man erhält, sind nicht genau so, wie sie im ersten Moment kommen. Deshalb wusste ich, dass es so etwas sein wird. Die Regierungen haben überreagiert, den ganzen Tag lang, dass die Menschen mit Angst von den Medien manipuliert wurden, denn von dort haben wir schließlich die Informationen bekommen. Sie setzen einfach gerne Angst ein, sie kontrollieren die Menschen mit Angst.

Glaubst du also, dass Kunst in der aktuellen Situation helfen kann? Du hast mit dem Bild an der Urban Spree reagiert, jetzt mit dem Wandbild bei der FIT-Tankstelle. Kannst du mir etwas über das Wandbild dort erzählen? Und ist es auch eine Reaktion auf die Krise?

Es ist wohl in gewisser Weise eine Reaktion, weil ich immer versuche, mich auf dem Laufenden zu halten, mehr mit den Geschehnissen in der Welt verbunden zu sein. Und dann taucht die Idee wie selbstverständlich auf, es ist also ein Ausdruck dessen, was in mir vorgeht. Und manchmal weiß ich nicht einmal, was ich male. Und danach finde ich die Erklärung. In gewisser Weise ist es so, weil ich immer von Informationen umgeben bin und nicht so sehr von der Situation um mich herum, dem Kontext meines Lebens oder dem Ort, an dem ich mich in der Welt befinde, abgekoppelt bin. Und so kommt es mit Sicherheit als Ansage heraus. Ich meine, Corona war wie ein Moment, um darüber zu sprechen, denn es passiert und es ist beschissen und global, es ist so etwas wie unmöglich, nichts zu tun.

Du kanntest die Wand, weil du dort vor ein paar Jahren einen Wolf gemalt hast. Also hast du um Erlaubnis gebeten, und dann alles selbst organisiert?

Ja, weil ich die Wand eigentlich schon vorher gemalt hatte. Als ich in Mexiko war, hatte ich Zeit, die Dinge zu analysieren, die ich in Berlin hätte machen können. Und eines der Dinge war, mit Paradox zusammenzuarbeiten, weil ich seine Arbeit mag. Also kam ich nach Berlin, und wir versuchten, ein paar Dinge inoffiziell zu organisieren. Aber es gab die Quarantäne. Also dachte ich, ich müsse etwas mit Erlaubnis organisieren, also kontaktierte ich Hausverwaltungen, von Gebäuden mit freien Wänden, ich versuchte Menschen zu erreichen. Aber das war schwierig, besonders während der Kontaktsperre in der Corona-Zeit, weil niemand wusste, was passieren würde. Also wollte niemand in so etwas investieren.

Und so hat es schließlich geklappt, also was hast du auf diese 20 m hohe Wand bei der FIT Tankstelle gemalt?

Ich habe ein einheimisches Kind aus Nordamerika gemalt. Viele Leute denken, dass es wie vom Amazonas aussieht, weil ich das Gesicht eines Mannes aus dem Amazonas verwende, dann malte ich aber die Kleidung der Ureinwohner Amerikas. Ein Indianer aus dem Amazonas würde nicht zu dem Wolf passen, den ich dort schon vor Jahren gemalt habe. Aber die Idee ging von dem Menschen aus Amazonas aus. Für unsere Entwicklung als Gesellschaft ist eine gewisse Zerstörung der Welt unausweichlich, sogar eine gewisse Zerstörung des Amazonas-Waldes ist für die Lebenszeit, die wir jetzt haben, notwendig. In diesem Sinne müssen wir ehrlich sein. Wir müssen erkennen, dass wir diesen Wohlstand haben, weil die Menschheit bestimmte Ressourcen zerstört, wir alle sind Konsumenten, und wir alle sind ein Teil davon. Es ist also wie eine unnötige negative Seite der Welt. Alle reden über die Autokrise, darüber, dass es Dinge gibt, die wir wahrscheinlich nicht kennen, zum Beispiel die Zerstörung des Amazonas oder wie die Ölrohre, gegen die die Menschen in den USA gekämpft haben. Die Eingeborenen, sie haben in den vergangenen Jahren all dies gegen die Ölrohre, die ihr Land durchqueren, unternommen. Weil sie brechen und ihr Land kontaminieren könnten. Nach so vielen Protesten haben sie die Ölleitungen verlegt, und es geschah tatsächlich, dass eine der Leitungen brach und Öl auf ihr Land verschüttete. Wenn man solche Dinge sieht, ist das fast wie ein sehr schlechter Witz. Und wir leben im Grunde in einer sehr surrealen Welt. Aber jetzt sind wir auch an einem Punkt angelangt, an dem wir klug genug sind, die Art und Weise, in der wir leben, zu reformieren, um sie auf intelligente Weise nachhaltig zu gestalten.


Früher wurde ich immer wütend oder depressiv. Dann begann ich vor ein paar Jahren mit der Idee, dass man, wenn man die Welt verändern will, zuerst sich selbst verändern muss. In dem Sinne, dass man sich selbst verbessern muss, wenn man seine Umgebung verbessern will. Dann habe ich weiter an dieser Mentalität gearbeitet und versucht, mich auf mich selbst als Beispiel zu konzentrieren. Denn vorher war ich dabei, mit dem Finger auf all die Dinge zu zeigen, die falsch waren, und das ist ziemlich einfach. Aber was ist mit mir selbst? In meinem Fall würde ich es vorziehen, in diesem Sinne ehrlicher zu sein, und warum andere verurteilen? Weil das letztlich eines der größten Probleme der Welt ist – wie wir herumlaufen und urteilen, wie wir mit dem Finger auf andere zeigen, ohne uns in die Lage anderer Menschen zu versetzen. Es gibt unterdrückerische Polizisten und Diktatoren, Psychopathen oder Vergewaltiger. Die einzige Möglichkeit, diesen Problemen wirklich Einhalt zu gebieten, besteht darin, diese Menschen zu verstehen und zu verstehen, was diese Gefühle hervorruft. Das ist der einzige Weg, wie man sie stoppen kann. Aus meiner Sicht.

Was ist mit deiner Malerei auf Leinwand? Du arbeitest schon seit langer Zeit im Atelier auf Leinwand?

Ja , ich habe ziemlich spät angefangen. Ich meine, ich habe auf Leinwand experimentiert. Am Anfang habe ich mich nur für die Arbeit auf der Straße interessiert. Aber dann merkte ich, dass die Leinwand tatsächlich einen Ort bietet, an dem man experimentieren, Techniken entwickeln, neue Techniken entdecken oder Malstile entwickeln kann. Denn es geht nicht nur um die Botschaft. An einem Punkt muss man auch seine eigene Art zu malen entwickeln. Wenn man sich selbst als Künstler oder Maler bezeichnen will – die Leinwandmalerei hat mir dabei geholfen. Ich habe eine Pause davon gemacht, wie vor einigen Jahren im Jahr 2018. Damals habe ich nicht viel auf Leinwand gearbeitet. Ich experimentierte mit anderen Dingen, zum Beispiel kollektiv mit anderen Künstlern. Ich initiierte ein Künstlerhaus in Mexiko. Aber ich kam zurück, dieses Jahr, um mehr auf Leinwand zu arbeiten. Die gegenwärtige Krise hat dazu beigetragen. Und es ist großartig. Wenn man Maler ist, wenn man es liebt zu malen, sind alle Oberflächen willkommen. Also braucht man natürlich Disziplin, um sein Zimmer zu verlassen und ins Atelier zu gehen und weiter zu malen, weil man weiß, dass man nicht so rausgehen kann, wie man es sonst tut. Ich schätze, es ist besser, innen zu arbeiten, denn es ist wirklich leicht, sich ablenken zu lassen. In diesem Sinne war es also positiv.



Wir werden alle älter. Kannst du dir vorstellen, dass du es irgendwann einmal satt haben wirst auf der Straße zu malen?

Nein, das weiß ich nicht. Ich meine, es ist schwierig, sich vorzustellen, was in der Zukunft passieren wird. Aber ich liebe es einfach immer noch. Das ist der Grund für diese Leidenschaft. Mit der Wandmalerei, mit dem, was ich zu sagen haben, und um andere Menschen zu inspirieren, inspiriert man auch andere Künstler, ihre eigenes Ding zu tun. Um ein paar Samenkörner zu legen, wie zum Beispiel in Indien. Aber auch in Thailand, Indonesien und Mexiko. Zumindest wenn man die Straße übernimmt oder etwas zu sagen hat, ist es eine Verantwortung, wie man sich präsentiert.

Was machst du sonst gerne neben der Malerei?

Gemeinsam zu organisieren, Menschen zu verbinden, Kunst im Allgemeinen zu fördern, denn darum geht es. Und dann gehören diese natürlich zum Leben, wenn man sich um sich selbst kümmern muss, um die eigene Arbeit und um die Richtung, die man als Künstler eigentlich einschlagen will. Aber es gibt einen Raum. Und ich glaube, dass durch Einheit jede Energie für alle Menschen positiv sein kann. Die Botschaft „Lassen wir das Ego beiseite“. Denken wir an all das, wie die Zusammenarbeit uns im Allgemeinen zugutekommen – meine Philosophie. Es ist sehr schwierig, mit Menschen und besonders mit Künstlern zu arbeiten, sie haben ihren eigenen Traum im Kopf, aber wir sind alle schöne Individuen. Irgendwann muss man den Traum eines jeden Menschen verstehen. Wenn man sich in ihre Lage versetzt, kann man versuchen, mit ihnen umzugehen, auch wenn das manchmal sehr anstrengend ist. Und mir gefällt die Idee, mich nicht nur auf das Malen zu beschränken.

Was gefällt dir an Kunst?

Seien wir ehrlich, Geschmäcker sind sehr individuell, so wie jeder Mensch einen anderen Kunstgeschmack hat. Es gibt Menschen, die in der Lage sind, Schönheit zu erkennen. Und ich respektiere das, denn nicht jeder kann das. Aber ich glaube daran, dass es mehr Möglichkeiten für jeden geben kann. Aber man kann Schönheit in einer riesigen Bandbreite von Möglichkeiten oder Situationen oder Bildern finden. Und wenn ich von Schönheit spreche, dann meine ich wohl etwas, das einen berührt, etwas, mit dem man sich verbinden kann. Es ist nicht immer ästhetisch ansprechend. Es kann Schönheit im Schmerz liegen, es kann Schönheit darin liegen, wie man eine Botschaft mit Gewalt ausdrückt. Konzeptkunst kann großartig sein. Wenn es gut gedacht ist. Aber sie kann immer noch nicht viele Menschen erreichen. Ich glaube daran, dass Kunst universell sein kann wie Musik, also sollten wir versuchen, jeden zu erreichen. Jeder sollte in der Lage sein, eine Sensibilität zu entwickeln, denn vielleicht hat sie nicht jeder von Natur aus. Es spielt keine Rolle, was es ist. Also, ja, lasst uns jeden erreichen. Und die Kunst, die die Straßen erobert, geht von diesem Gefühl aus, und Graffiti ist auch ein Teil davon. Sie verbindet sich mit dem Teil der Gesellschaft, der nicht in diese Galerien gehen kann, der diese Orte nicht erleben kann, weil sie auf eine Art und Weise präsentiert werden, wie ein Ort der Exklusivität. Nicht alle haben das Gefühl, ein Teil davon zu sein oder den Wunsch, dorthin zu gehen. Manchmal führt die Sauberkeit der weißen Wände dazu, dass man die menschliche Verbindung oder Emotionen verliert.

Danke für deine Zeit und viel Erfolg Alaniz!


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Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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