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Interview mit ichbin3oeltanks, Berlin

, by Katia Hermann

Wo bist du eigentlich aufgewachsen?

Ich bin in den 80er Jahren im Ruhrgebiet aufgewachsen, bin aber mit 7 Jahren nach Niedersachsen gezogen. Ich habe aber immer eine große Verbundenheit zum Ruhrgebiet behalten, und bin auch kurzzeitig wieder dort hin gezogen später.


Hast du als Kind schon gemalt?

Nur ein bisschen. In der Schule habe ich den Kunstunterricht gehasst….


Hast du KünstlerInnen in der Familie?

Nein.


Wie und wann hast du denn Graffiti/Style Writing entdeckt?

Mit 15 Jahren, mitten in der Pubertät. Ende 90er. In Osnabrück. Dann Anfang 2000er selbst getagt. Damals war Deutsch Rap groß und meine Freunde in der Schule hatten Musikalben usw. Das Internet ging los, ich erinnere mich an Foren mit Bildern von Graffiti. Es gab sogar einen kleinen Shop in Osnabrück, mit Dosen, Markern, Magazinen und Platten. Ich kaufte mir Backspin-Magazine und habe anfangs Styles abgemalt, dann gesketcht.



Mit welchem Namen denn?

Schon mit LORIO, aber ohne t. Erst habe ich nur getagt. Und den Namen hatte keiner.


Kanntest du schon die Filme und Zeichnungen von Loriot?

Ja, aber erst nur die Filme, die schauten wir zu Hause Weihnachten an und haben uns und auch mich sehr amüsiert. Westdeutsches Kulturgut irgendwie.


Und ab wann warst du dann selbst aktiver draußen unterwegs? Und wo?

Mit 17/18 Jahren habe ich neue Leute kennengelernt, wir bildeten Crews und machten Bombings. An der Autobahn, an Schallschutzmauern, auf Güterzüge und Straßenbombings. Es gab so ein trashiges Yard wo alte Regios bemalt wurden. Es gab auch schon ein paar legale Flächen. Ich benutzte auch andere Namen wie Elite, Rain…Es war etwa ein Jahr lang sehr intensiv mit Problemen dann. Mit Hausdurchsuchung bei den Eltern usw. Ich habe dann erstmal eine Pause gemacht. Nach einer Ausbildung bin ich mit 23 dann nach Bochum, wieder in den Ruhrpott, und habe studiert, aber nix in Richtung Kunst.


Hast du denn dann weitergemalt?

Ja, zu der Zeit habe ich mich in der Malerei versucht. Ich habe Charakters gemacht, wollte weg von den Buchstaben.


Gab es irgendwelche Style Writer oder Charaktermaler, die dich inspiriert haben?

Direkt geprägt nicht, aber ich fand die Arbeiten von JIM 129 unglaublich gut. Also kein Berliner, aber ein Deutscher. Den habe ich gefeiert. Das ist aber schon so lange her…


Wann bist du nach Berlin gezogen?

Mein Bruder lebte hier, ich war öfter zu Besuch Anfang 2000er, Beusselstraße an der S-Bahn. Und ich war total geflasht, es gab so viel Graffiti. Ich bin dann Anfang 2008 übergesiedelt. Street Art war auch schon überall und vor allem Papierarbeiten. Ich entdeckte Arbeiten von Sam Crew, der Wurstbande, figürliche Sachen halt, die haben mich inspiriert. So habe ich auch eine Zeit lang Paste ups gemacht, mit Feder und Tinte gezeichnet, Schablonen ausprobiert, und so geometrische Charakters gemalt, viel experimentiert, ich hatte aber keine gute Technik…und ich würde sagen, ich bin kein guter Charaktermaler.


Wann hast du denn dann angefangen figürlich auf Wände zu malen?

So 2010…an Halls und in Lost places, in der Lichtenberger Brauerei z.B..

So kamen dann auch wieder Buchstaben ins Spiel, ich fand dann aber den klassischen 3D-Blockstyle, den ich ausprobierte langweilig und fing an, die Buchstaben zu abstrahieren. Oft habe ich zwei Monate den gleichen Style gemalt und dann wieder anders. Irgendwann habe ich die Kastenform entdeckt, also mir einen Rahmen geschaffen, um darin Buchstaben einzubetten und diese abstrahiert. Ich konnte nicht gut mit Farben umgehen, ich habe mir dann immer eine 6er-Dosen-Kombination zusammengestellt, um mehr Gefühl zu bekommen, Farben zu kombinieren. Im Kasten ziehe ich die Buchstaben vor, dann aber denke ich in Flächen und Formen, und versuche diese so zu verbinden, dass es nur noch Flächen sind und fülle diese dann mit Farben aus. Das Schönste ist den Umriss zu haben und dann die Flächen zu füllen. Im Flow zu sein. Und hier eher ungeplant zu arbeiten. Es hat einen meditativen Charakter, da fühle ich mich dann wirklich im Moment. In die Styles zwischen 2013 und 2019 habe ich auch klassische Elemente wie Pfeile, Punkte, Muster integriert, mit knalligen Farben. Manchmal habe ich Charakters eingebaut.



Seit wann malst und integrierst Du denn den Knollennasenmensch von Loriot?

Ich glaube seit circa 5 Jahren. Ich habe dann die Loriot-Figur in schwarz-weiß wie eine Zeichnung am Ende über das Piece gesetzt, als Kontrast zum bunten Piece im Hintergrund.

Ich kannte Loriots Illustrationen als Jugendlicher noch nicht, ich habe mir später Bücher gekauft. Seine Illustrationen haben einen zeitlosen Humor irgendwie. Und die Zeichnungen sind relativ simple. Er war ja ein Multitalent, hat sehr geprägt und für mich ist es wie eine Hommage an ihn.



Welche Technik verwendest du an Wänden? Machst Du vorher Skizzen?

Manchmal mache ich nur Streichbilder mit Wandfarbe oder verwende nur Sprühdosen oder mische, je nach Phase. Und ich arbeite immer mit Skizze. Ich mache circa 3 bis 6 Skizzen in der Woche und male draußen einmal pro Woche. An verschiedenen Halls in Berlin oder in Lost places im Umland.



Malst du diese Loriot- Figuren frei und erfindest sie in anderen Positionen oder übernimmst du diese aus seinen Illustrationen?

Ich übernehme immer Einzelelemente von Loriots Zeichnungen aus seinen Büchern. Es kommt schon auch mal vor, dass ich die irgendwie anders hinsetze. Ich fotografiere vorher aus seinen Büchern Figuren ab und entscheide dann an der Wand, nachdem ich das bunte Pieces gemalt habe, welche Figur ich drüber setze. Je nachdem was ich für ein Piece gemalt habe, entscheide ich nach Gefühl, welche Figur ich aus meinem Foto-Archiv drüber setzen will, welche ich nachmalen will, und male diese dann in groß vom Handy mit Dose für die Linien ab und fülle mit Streichfarbe.


Aber welche Namen/Buchstaben verwendest du denn für diese Pieces? Da steht ja nicht immer LORIO, ich lese da (wenn auch schwer zu entziffern) anderes, richtig?

Ja, da steht  immer mal ein anderes Wort. Ich bin in so Sketch-Battle-Gruppen,  auf Telegramm- und Signal z.B., wo jeden Tag ein neues Wort gedroppt wird für das spontane Sketchen. En Wort-ein Sketch. Daher kommen manche Wörter meiner Pieces auch. Das Wort ist mir aber egal, es geht um verschiedene Formfindung durch die verschiedenen Buchstaben des Alphabets. Und es ist Immer mal wieder auch ein Lorio dabei.


Und wie bist du auf deinen ulkigen Namen ichbin3oeltanks gekommen?

Den Namen habe ich bei einem Bekannten gelesen, den fand ich super und habe dann die Ziffer aber gewechselt.


Danke dir für das Gespräch!

instagram.com/ichbin3oeltanks


Von Katia Hermann, Juli 2023


Katia Hermann
French-German art historian, curator and writer. After her studies of art history and cultural management in Paris, Katia moved to Berlin in 2001. For twenty years, she has worked as a freelance exhibition-maker/curator, cultural manager, writer and translator. After working for documentary film- and exhibition productions, she curated thematic exhibitions of modern & contemporary art and photography for institutions, project spaces and galleries. She always endeavors to promote artists with contemporary relevant topics, new visual languages, and tries to mediate to a wide public. After her research grant for fine arts with the topic Urban Art Berlin (Berliner Senate Department of Culture and Europe) in 2017, she initiated and coordinated the Urban Art Week in Berlin in 2018 and 2019. The photo exhibition BERLIN: WRITING GRAFFITI started 2019 to tour to Brussels with a publication. Beside her curatorial practice, Katia gives art tours and writes about urban art, contemporary art, and in particular about post-graffiti painters for magazines and blogs.

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